Was passiert bei Krebs in unserem Körper? Von egoistischen Zellen, die unser Immunsystem bewusst austricksen und immer besseren Therapien. Maria Sibilia leitet an der Med.Uni Wien die Krebsforschung erklärt.

Maria Sibilia leitet das Institut für Krebsforschung an der Medizinischen Universität Wien und hat Molekularbiologie studiert.

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Andreas: Heute geht es um das Thema Krebs und das erklärt uns Maria Sibilia. Hallo!

Maria: Ja, hallo!

Andreas: Liebe Maria, bevor wir loslegen, stelle dich bitte noch kurz vor.

Maria: Ja, hallo an alle! Mein Name, wie schon gesagt, ist Maria Sibilia und ich leite das Institut für Krebsforschung an der Medizinischen Universität Wien. Ich habe selbst Molekulare Biologie studiert und hatte immer ein Interesse, Krankheiten zu verstehen, und zwar zu verstehen, warum sie entstehen und sozusagen in das Innere des Körpers zu gehen, in das Innere der Zelle, und zu verstehen, warum gewisse Dinge passieren, warum wir krank werden und wie wir damit wieder gesund werden können.

Andreas: Maria, wir fangen ganz von vorne an. Was ist denn Krebs überhaupt?

Maria: Ja, Krebs ist eine komplexe Krankheit. Wie kann man das gut erklären? Also, unser Körper besteht aus Zellen und die Zellen in unserem Körper, die gesunden Zellen, das sind altruistische Zellen. Das heißt, sie kümmern sich um den Nachbarn und das Ganze arbeitet zusammen zum Wohle des gesamten Körpers. Das heißt, wenn etwas mit einer Zelle schiefgeht, dann stirbt diese Zelle ab, damit sie dem Körper nicht schadet.

Beim Krebs ist es so, dass diese normalen Mechanismen, die die Zelle steuern und ihr sagen, wann sie sich teilen soll, wann sie sterben soll oder was sie tun soll, die funktionieren nicht mehr. Das heißt, die altruistische Zelle wird eigentlich eine egoistische Zelle und die macht einfach was sie will. Und das führt dazu, dass diese Zellen im Körper sich einfach teilen und teilen und teilen und am Ende wird sie eigentlich so wie ein kleines zusätzliches Organ, das in unserem Körper wächst. Und sie hört auch nicht mehr auf Signale von den Nachbarzellen, die ihr sagen, sie soll das nicht tun, sondern sie teilt sich weiter. Sie reagiert auch nicht mehr auf Signale, die der Zelle sagen würden, dass sie jetzt sterben soll, weil sie dem Körper schadet und so weiter.

Und sie manipuliert auch das ganze Umfeld. Das heißt, dass zum Beispiel das Immunsystem, das eigentlich fremde Organismen erkennt, wie Viren oder Bakterien, würde zum Beispiel auch eine Krebszelle erkennen, weil die sich ja ganz anders verhält als die normalen Zellen. Nur ist die Krebszelle dann so schlau, dass sie diese Immunzellen manipuliert und sich vor diesen Immunzellen versteckt. Deswegen können die Krebszellen immer weiterwachsen und sich dann auch schlussendlich im ganzen Körper ausbreiten. In dem Fall spricht man dann von sogenannten Metastasen.

Also, die Metastasen sind die egoistischen Zellen, die sich im ganzen Körper verbreiten. Das kann man so sehen. Und sagen wir so, von einem klinischen Standpunkt aus, ist es so, dass der sogenannte Ursprungstumor, der oft Primärtumor genannt wird, solange er sich noch nicht verbreitet hat, noch als gutartig gesehen wird. Und wenn er sich dann schon verbreitet hat, dann reden wir schon von bösartigen Tumoren, die auch ziemlich schwierig zu therapieren sind.

Leider ist es so, dass man es erst im Metastasen-Stadium merkt, oft merkt der Mensch, dass er irgendetwas hat. Weil der Primärtumor oft unbemerkt bleibt und oft findet man diese eigentlich eher durch Zufall.

Andreas: Und der Tumor ist dann diese Anhäufung von Zellen, wo du gesagt hast, das kann man quasi als eigenes Organ sehen.

Maria: Genau, das ist ein eigenes Organ. Ein Organ, das ist zum Beispiel… Wir haben viele Organe in unserem Körper wie die Leber, die Niere, den Magen etc. Und das ist ein Organ, das alles hat, was es braucht, um sich selbst zu ernähren. Da dringen natürlich auch Blutgefäße hinein. Weil sonst, wenn der Krebs zu groß wird und wenn er sich nicht auch dieselben Blutgefäße sozusagen zurechtmacht, dann könnte das Blut und die Nährstoffe nicht in den Tumor kommen. Es könnte so auch der Sauerstoff, den wir einatmen, nicht zum Tumor kommen. Und das wird dann dieser ganz geschickt… Also, da baut sich das alles so, wie wir normale Organe auch funktionieren würden.

Andreas: Warum kriegen manche Menschen solche Tumore? Ist das Pech? Ist das, dass man irgendetwas falsch gemacht hat?

Maria: Ja, das ist natürlich eine ganz schwierige Frage zu beantworten. Also, sagen wir so: Es gibt Krebsarten, die entstehen, weil man gewisse genetische Veränderungen sozusagen vererbt bekommen hat. Das sind sogenannte Mutationen. Ich denke jetzt zum Beispiel an BRCA1 oder BRCA2. Das sind jene, die, wenn man diese Mutationen hat, dann führt das Fehlen von diesen Produkten dazu, dass man zum Beispiel mit einem viel höheren Risiko Brustkrebs entwickelt oder Eierstockkrebs.

Ich glaube, das ist vielleicht vielen bekannt. So hat zum Beispiel Angelina Jolie auch so eine BRCA-Mutation geerbt und sie hatte beschlossen, dass sie sich die Brüste wegschneiden lässt, präventiv, um einfach das Risiko nicht einzugehen, dass sie dann Brustkrebs bekommen könnte.

Es gibt dann auch noch andere Mutationen, die bekannt sind, die eine gewisse Prädisposition zu Krebs haben. Aber oft ist es einfach so, dass unsere Lebensweise diese Veränderungen im Erbgut sozusagen nachträglich induziert. Dann erbt man diese nicht, aber man fügt sie einem selbst zu.

Ein klassisches Beispiel ist das Rauchen. Wenn man raucht, dann werden die Zellen im Hals, in der Lunge und in der Luftröhre geschädigt. Und die Stoffe, die im Rauch sind, die sind sogenannte Mutagene. Das heißt, die bewirken, dass das Erbgut sich verändert. Und das veränderte Erbgut, wenn natürlich so eine Veränderung in einem Gen passiert, dessen Produkt für die Zellteilung zum Beispiel sehr wichtig ist, das heißt es kommt dann eine Veränderung hinein, wo dann dieses Eiweiß, das von diesem Gen gemacht wird, das fördert zum Beispiel das Wachstum noch mehr oder das Überleben der Krebszelle noch mehr. Und das beschleunigt natürlich diesen Prozess.

Andreas: Vielleicht kannst du mal was Grundlegendes dazu sagen, wie das überhaupt mit den Zellen funktioniert. Ich glaube, das ist ja so, dass sich unser Körper quasi ständig erneuert. Manche Zellen sterben ab, neue entstehen und wenn wir zum Beispiel rauchen, wird dieser Prozess gestört?

Maria: Genau. Also, vielleicht ein Beispiel, das vielleicht allen bildlich leicht verständlich ist: Wenn wir uns zum Beispiel in den Finger schneiden, dann blutet der, dann schließt sich das mit einer Kruste. Dann haben wir eine Wunde und diese Kruste, die fällt dann weg, wenn sich das Gewebe darunter geteilt hat, die Wunde geschlossen hat. Die Kruste fällt weg und dann, nach einer Weile, wenn es ein tiefer Schnitt war, dann sieht man vielleicht noch eine Narbe und sonst sieht man irgendwann überhaupt nichts mehr.

Jetzt, einen Tumor kann man eigentlich auch als eine Wunde definieren, die nie heilt. Das heißt, die Zellen teilen sich immer weiter. Dann muss man sich vorstellen: Man schneidet sich und statt dass, wenn zum Beispiel die beiden Wundränder wieder zusammengekommen sind, das Ganze aufhört, würde das sich weiter und weiter und weiter teilen. Und dann würde sich also eine Geschwulst bilden, die einfach unkontrolliert wuchert. Und das ist sozusagen ein Tumor in einem gutartigen Stadium.

Und was passiert beim Rauchen? Beim Rauchen schädigen die Schadstoffe, die in Zigaretten sind, natürlich die Zellschicht, die in den Luftröhren ist und auch in den Bronchien. Und diese müssen sich reparieren. Das heißt, jedes Mal, wenn da Schaden entsteht, so wie wenn man sich in den Finger schneidet, wird das dort auch repariert. Aber es ist natürlich so: Wenn ich das Erbgut verändert habe, dann wird diese Wunde mit veränderten Zellen repariert. Und wenn die sich weiter teilen und bei der Reparatur Fehler entstanden sind und auch noch zusätzlich bei der Zellteilung Fehler passieren, dann häufen sich diese genetischen Veränderungen an. Und wenn man dann über ein gewisses Stadium hinweg ist, dann fängt die Zelle wirklich an, ganz unkontrolliert zu wachsen und bildet dann einen Tumor.

Andreas: Also, wir haben jetzt die Gene als Faktor, das Rauchen. Gibt es noch andere Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit von Krebs erhöhen?

Maria: Ja, es gibt natürlich auch Schadstoffe, die in der Umwelt sind, also natürlich auch viele Chemikalien. Zum Teil gibt es auch radioaktive Stoffe. Zum Beispiel weiß man auch, dass wenn die in den Boden geraten und dann isst man das Gemüse, das auf solchem Boden gewachsen ist, dann sind diese radioaktiven Stoffe drin, die natürlich auch genau das Erbgut schädigen.

Also, wie gesagt, dann gibt es auch viele chemische Stoffe, deswegen sind diese auch immer markiert, dass sie gefährlich sind. Und natürlich ist auch krebsfördernd allgemein eine etwas ungesunde Lebensart. Also, wenn man zum Beispiel auch zu viel Alkohol trinkt oder sich mit sozusagen ungesunden Nahrungsmitteln ernährt, also sprich auch viel Fett und solche Sachen, oder sehr viel Plastik, das führt zu Fettleibigkeit.

Und die Fettleibigkeit hat natürlich als Konsequenz auch, dass die Leber, das ist ja unser Hauptorgan, das uns eigentlich entgiftet und von allem sozusagen freihält, aber wenn man viel Alkohol trinkt, irgendwann mal schafft es die Leber nicht mehr. Und die Leber, die übrigens auch ein ganz tolles Organ ist, die sich immer wieder erneuern kann, aber wenn sie einfach durch Alkohol und andere Sachen geschädigt wird oder durch ungesundes Essen, dann kann sie sich irgendwann mal nicht mehr gut erneuern oder erneuert sich eben mit genetisch geschädigten Zellen und kann dann sozusagen zu Krebs führen.

Dasselbe kann natürlich auch im Magen, im Dünndarm passieren, dass halt ungesunde Ernährung auch zu solchen Krebsarten führen kann.

Andreas: Ernährung ist also ein Thema. Wenn man aufmerksam Nachrichten liest, dann hat man wahrscheinlich von jedem einzelnen Nahrungsmittel schon gelesen, dass es krebserregend ist. Was sollte man… Sollte man allgemein darauf achten, dass man sich gesund ernährt, oder gibt es gewisse Dinge, die man eher meiden sollte?

Maria: Ja, das ist eine schwierige Frage. Also, schwierig… Das ist interessant, weil ich werde sehr oft danach gefragt. Ich sage immer: Alles, was man mit Maß macht, ist gesund. Man kann natürlich… Man braucht auch Fett, weil unsere Zellen brauchen zum Beispiel das Cholesterin. Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil, der die Membran unserer Zellen ausmacht. Das heißt, man muss Fett zu sich nehmen. Wenn man jetzt aber von dem zu viel nimmt, ja…

Das beste Beispiel ist auch beim Alkohol. Also, man spricht ja vom gesunden Glas Rotwein, das ja eigentlich sogar krebspräventiv sein soll. Aber wenn man natürlich jeden Tag dann einen Liter oder zwei Liter Rotwein trinkt, dann kann das natürlich nicht gut sein. Und dasselbe ist halt auch mit den ganzen anderen Nahrungsmitteln. Also, das Beste ist, man sollte sich ausgewogen ernähren. Man sollte nicht zu viel immer nur Fleisch essen und überhaupt kein Gemüse.

Und man sollte halt eine ausgewogene Ernährung von allem sozusagen mit Maß, ist sicher das beste Rezept. Weil ich selber zum Beispiel möchte auch ab und zu gerne eine gute Salami essen oder ein Stück Schinken und nicht immer daran denken “Oh je, das darf man jetzt nicht, nur das Böse führt zu Krebs”. Aber wenn ich natürlich jeden Tag fünf Salamis esse, dann ist das vielleicht langfristig für meinen Körper nicht so gut.

Andreas: Wie sieht es mit Stress aus? Befördert ein stressiges Leben auch das Risiko, an Krebs zu erkranken?

Maria: Stress ist sicher ein Faktor. Dort glaubt man eher, dass es sich indirekt auf die Krebsentstehung auswirkt. Ein Beispiel, was ich vielleicht vorher auch vergessen habe zu erwähnen: Es gibt natürlich auch Krebsarten, die durch Viren und Bakterien gefördert werden. So zum Beispiel die Papillomviren, die führen ja zu Gebärmutterhalskrebs oder sie können auch zu gewissen Krebsarten auf der Haut führen.

Deswegen… Aber es ist zum Beispiel so: Wenn man diese Papillomviren hat, wenn man infiziert ist (man kann sich ja dagegen auch impfen), dann bleibt der Virus latent. Das heißt, wir haben ja auch ein Immunsystem, das diese infizierten Zellen erkennt. Und unser Immunsystem erkennt auch Zellen, die genetische Veränderungen in sich tragen, weil diese genetischen Veränderungen veränderte Eiweiße produzieren. Und unser Immunsystem ist wahnsinnig klug und kann Fremdes von Eigenem unterscheiden. Also, an veränderten Eiweißen oder der Präsenz von Bakterien oder Viren werden vom Immunsystem erkannt.

Jetzt wirkt sich Stress auf das Immunsystem aus, und zwar Stress supprimiert, also hemmt, das Immunsystem und die Aktivität des Immunsystems. Es ist ja auch ganz klassisch, dass wenn wir im Stress sind, dann tendieren wir eher dazu, einen Schnupfen zu entwickeln, also wenn wir nicht gestresst sind. Das heißt, wenn man sich sagen so eine kleine Wucherung hat, eine kleine Anhäufung von Krebszellen, würde das Immunsystem diese bekämpfen. Wenn man jetzt aber enorm gestresst ist, und das zwar permanent und lange Zeit, und das Immunsystem unterdrückt ist, dann können natürlich diese Zellen weiter ungestört wachsen.

Aber es ist sehr schwierig zu messen, wie sehr Stress wirklich die Krebsentstehung beeinflussen kann.

Andreas: Gibt es heute mehr Krebs als vielleicht vor einer Generation, vor zwei? Wird Krebs eine häufigere Krankheit?

Maria: Ja, wir haben mehr Krebs. Es gibt mehr Menschen mit Krebs. Aber das hängt auch damit zusammen, dass die Menschen heutzutage viel länger leben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Entdeckung der Antibiotika, die hat dazu geführt, dass sich die Lebenserwartung der Menschen im Durchschnitt, ich würde sagen, um 10 bis 20 Jahre verlängert hat.

Früher, im 18., 17., 16. Jahrhundert, wo es diese Antibiotika noch nicht gab, wenn man eine Lungenentzündung bekommen hat, da sind die meisten Menschen daran gestorben oder an irgendwelchen anderen bakteriellen Infektionen. Das heißt, natürlich hat es auch weniger Krebsfälle gegeben, weil Krebs entwickelt sich ja eher im Alter.

Es gibt ja auch Kinder leider, die Krebs entwickeln, aber sagen wir so, das ist eher die Ausnahme. Aber sonst sagt man so, dass ab einem gewissen Alter, sagen wir so ab 40, 45, weil die Zellen natürlich schon einige Jahre hinter sich haben… Und wenn man auch nichts sozusagen Gefährliches vererbt bekommen hat, diese Mutationen, und auch nicht raucht oder sonst irgendwas, sich gut ernährt, kann man trotzdem Krebs bekommen.

Die Frage ist natürlich: Warum? Und da kann man vielleicht eine leichte Erklärung geben: Die Zellen teilen sich immer wieder. Und wenn sie sich teilen, müssen sie das Erbgut, die sogenannte DNA, die müssen sie duplizieren, also vervielfältigen. Und wenn man das halt oft macht, da passieren halt Fehler beim Kopieren.

Das ist so wie wenn man sagt: Okay, man hat ein Buch mit 1000 Seiten und man wird an den Kopierapparat geschickt und sagt “Bitte kopieren Sie dieses Buch fehlerfrei.” Also, ich glaube nicht, dass das jemanden passiert. Jeder würde einen Fehler machen beim Kopieren. Man kopiert eine Seite zweimal oder vergisst eine. Und das passiert natürlich auch, wenn die DNA kopiert wird.

So haben wir eben auch ein Immunsystem, wir haben Reparaturmechanismen, die diese Fehler sofort erkennen und dann werden die ausgemerzt. Aber wenn halt diese Fehler nicht erkannt werden und mit den Jahren häufen sie sich halt immer mehr und mehr an, irgendwann kann es dann sein, dass man eben an so einem gereizten Krebs entwickelt.

Und dadurch, dass wir heute länger leben, ist es natürlich logisch, dass auch viel mehr Menschen Krebs bekommen. Ein zusätzlicher Faktor, den ich auch immer gerne erwähne, ist, dass man jetzt weiß, woran man gestorben ist. Wenn ich jetzt an meine Urgroßmutter denke, da hat man gesagt, sie ist gestorben, weil sie alt war. Man weiß aber nicht, vielleicht hatte sie auch Krebs. Das weiß man nicht, weil das hat man früher einfach… Vor 70, 80 Jahren hat man vieles nicht gewusst.

Und deswegen ist natürlich diese Häufigkeit an Krebs, die steigt immer mehr an, natürlich auch bedingt zum Teil durch äußerliche Faktoren. Aber für mich sind die Hauptfaktoren sicherlich die Tatsache, dass wir länger leben und auch, dass wir heutzutage wissen, woran alle sterben.

Andreas: Warum sind manche Krebsarten so viel gefährlicher als andere?

Maria: Sie sind gefährlicher, zum einen, weil sie sich sehr schnell im Körper verbreiten, also diese sogenannten Metastasen bilden. Weil natürlich die primären Tumore, die an Ort und Stelle noch sind, die operiert man meistens weg. Das wird wegoperiert und dann macht man vielleicht noch so eine unterstützende Therapie und dann ist man eigentlich in den meisten Fällen geheilt.

Wenn aber dieser Krebs sich schon sozusagen auf die Wanderung gemacht hat und sich im Körper verteilt hat, dann ist es klar, dass man nicht den ganzen Körper aufschneiden kann, um diese Metastasen rauszunehmen. Und die Tatsache selber, dass diese Wanderzellen in uns sind, dann wird es einfach schwierig, das zu kontrollieren. Und in diesem Fall spricht man dann von einer systemischen Therapie, das heißt, eine Chemotherapie oder diese modernen zielgerichteten Therapien oder Immuntherapie, weil die natürlich überall hinkommen.

Jetzt gibt es aber Krebsarten, die auf Therapien besser ansprechen als andere. Und das ist dann meistens der Grund, warum einige sozusagen als schlimmer klassifiziert werden als andere. Weil man viele eben viel zu spät erst diagnostiziert und zweitens, dass viele oder einige dieser Krebsarten, die sprechen einfach nicht auf Therapien an. Dann ist natürlich die Möglichkeit der Behandlung sehr, sehr eingeschränkt.

Andreas: Was passiert bei der Chemotherapie?

Maria: Also, die Chemotherapie, das sind oft auch Substanzen, die von der Natur, also von Pflanzen ursprünglich gewonnen wurden. Und die Chemotherapie, das sind Substanzen, die eigentlich in den meisten Fällen die Zellteilung blockieren. Also, da die Krebszellen ja die Tendenz haben, sich schneller zu teilen und zu vervielfältigen, ist sozusagen das Chemotherapeutikum dafür da, dass die Zellen sich nicht mehr teilen können und dass sie dadurch in den Tod geschickt werden.

Gut, aber die Chemotherapie ist natürlich sehr unspezifisch. Das heißt, jede Zelle, die sich im Körper teilt, auch die gesunden Zellen, die werden von der Chemotherapie angegriffen. Das heißt, deswegen verliert man zum Beispiel während der Chemotherapie die Haare oder die Haut leidet, weil die Haare, die werden ständig erneuert. Die Haarwurzelzellen erneuern sich ständig und wenn natürlich diese Erneuerung blockiert wird, dann können sich die Haare nicht mehr bilden und dann fallen sie aus. Und sobald man dann mit der Chemo aufhört, wachsen die Haare auch wieder nach.

Andreas: Gab es in der Therapie von Krebs in den letzten 10, 20 Jahren große Fortschritte, Durchbrüche oder ist der jetzige Stand der Therapie relativ ähnlich mit dem in der Vergangenheit?

Maria: Also, der große Durchbruch in der Vergangenheit war sicherlich die Chemotherapie. Die hat dann dazu geführt, dass zum Beispiel die Chemotherapie sehr gut auf Zellen wirkte, die sich schnell teilen. Und zwar schon in den Leukämien. Die Leukämie, das ist ein Krebs der Blutzellen. Diese teilen sich meistens sehr schnell und deswegen kann die Chemotherapie zum Teil auch ganz kurativ sein in gewissen Leukämiearten.

Lange Zeit hatten wir die Chemotherapie, natürlich mit dem Nachteil, dass es eben nicht zielgerichtet ist. Dann, vor ungefähr 20 Jahren, kamen die ersten zielgerichteten Medikamente. Was heißt das? Das heißt, man hat zum Beispiel herausgefunden, dass gewisse Krebszellen ein verändertes Eiweiß auf der Oberfläche haben oder zu viel von einem Eiweiß.

Ich denke zum Beispiel an einen Rezeptor, den HER2-Rezeptor, der auf Brustkrebszellen erhöht produziert wird. Und es wurde zum Beispiel ein Medikament entwickelt, das ist ein Antikörper, der an diesen Rezeptor andockt und diesen hemmt. Und dieses Medikament, das heißt Herceptin, das wird gegen Brustkrebs verwendet, aber nur gegen diesen Brustkrebs, der auch dieses Molekül auf der Zelloberfläche hat.

So einen Rezeptor kann man sich wie eine Antenne vorstellen auf dem Dach. Das markiert dann diese Zellen und alle diese Zellen, die den haben, die werden dadurch gehemmt. Und es gibt viele andere solche zielgerichteten Therapeutika inzwischen. Das heißt, man braucht einen sogenannten Biomarker. Diese Biomarker, das sind ganz bestimmte Erkennungsmerkmale, die es erlauben, dann den Krebs zu untersuchen und zu schauen: Okay, hat er dieses Merkmal? Ja, okay, dann gebe ich dieses Medikament. Und man weiß, dass wenn dieses Merkmal nicht vorhanden ist, dieser Biomarker, dann wirkt das Medikament nicht.

Jetzt aber, in den letzten zehn Jahren, hat es natürlich einen großen oder den sozusagen größten Durchbruch gegeben, und das ist eben die sogenannte Immuntherapie, diese Checkpoint-Inhibitoren. Und die nutzen das körpereigene Immunsystem aus, um den Krebs zu bekämpfen.

Weil das Problem ist… Nehmen wir das Beispiel von den zielgerichteten Therapien. Und wenn man da… Ich muss vielleicht etwas Grundlegendes dazu sagen: Der Krebs, habe ich ja vorher gesagt, besteht aus vielen Zellen, die sich unkontrolliert teilen. Jetzt muss man aber eins sagen: Diese Krebszellen, die sind nicht alle gleich. Sogar im selben Tumor hat dann jede Zelle irgendwelche anderen Veränderungen.

Das heißt, wenn ich jetzt einen Tumor nehme, der schon vielleicht 3 cm Durchmesser hat, und ich würde den in einzelne Zellen sozusagen zersetzen können, dann würde ich – und ich mach das jetzt farblich – dann hätte ich ein Gemisch von grünen Kugeln, von blauen Kugeln, von roten Kugeln, von gelben, violetten Kugeln. Und wenn natürlich diese Kugeln untereinander sind, dann gibt es halt, wie in der Natur, welche, die sich schneller teilen als andere.

Nehmen wir an, die roten Kugeln wären diejenigen, die sich am schnellsten geteilt haben. Dann besteht dieser Tumor zu 70 Prozent aus roten Kugeln. Aber die anderen 30 Prozent machen alle anderen Farben aus. Und jetzt habe ich ein zielgerichtetes Medikament gegen die roten Kugeln. Das heißt, wenn ich diesen Tumor untersuche, dann sehe ich: Ist dieser Biomarker, diese Veränderung da? Also gebe ich das Medikament und töte alle roten Kugeln.

Was passiert? 70 Prozent des Tumors wird getötet, aber es gibt noch die anderen 30 Prozent, das bleibt noch hier. Oft sind das sogar nur 10 Prozent, aber das sind anders farbige Kugeln. Und wenn jetzt die roten Kugeln weg sind, dann können diese anderen Kügelchen langsam sich teilen und die bilden dann den Tumor nach. Das heißt, es bildet sich diese sogenannte Resistenz auf das Medikament.

Und jetzt das Immunsystem ist eigentlich ein perfektes Allround-Medikament. Warum? Weil das Immunsystem ist trainiert worden, dass es alle möglichen Keime erkennt. Das ist nicht nur gezielt gegen rote oder grüne, sondern das erkennt alles Mögliche. Weil wenn wir von einem Virus infiziert werden, dann wird das dann eventuell von unserem Immunsystem erkannt.

Das heißt, das beste Medikament, um alle diese farbigen Zellen gleichzeitig zu töten, ist unser Immunsystem. Nur der Tumor hat gelernt, und zwar schlau gelernt, wie er das Immunsystem lahmlegt. Und das Lahmlegen des Immunsystems, das wird durch diese sogenannten Checkpoints gemacht. Das sind Signale, die die Tumorzelle auf der Zelloberfläche hat und die an ein anderes Signal auf der Immunzelle andocken und dieser Immunzelle sagen, sie soll bitte Ruhe geben und soll den Tumor nicht attackieren.

Und diese Checkpoint-Inhibitoren, also das ist ein Checkpoint, der wird durchbrochen. Und deswegen wird dann der Tumor für das Immunsystem wieder sichtbar und das Immunsystem kann somit den ganzen Tumor fast wegwischen.

Das Problem, das wir aber haben, ist, dass diese ganzen Immuntherapien halt nicht in allen Tumorarten funktionieren. Und zurzeit wissen wir noch nicht genau, wie wir die Tumore erkennen können, die auf diese Checkpoint-Inhibitoren ansprechen werden. Und das ist zum Beispiel ein Thema, das zurzeit auch sehr intensiv erforscht wird.

Andreas: Wenn ich dich jetzt vorhin richtig verstanden habe, dann hast du gesagt, dass bei manchen Tumoren, die man schnell erkennt, die nicht viele Metastasen gebildet haben, dass es da Heilung gibt. Das heißt, der Krebs ist weg und kommt auch nicht mehr zurück. Ich habe das so im Kopf, dass es bei sehr vielen, wenn nicht den meisten Krebserkrankungen so ist, dass es quasi selten oder nie Heilung gibt, man muss immer aufpassen, kommt das jetzt wieder zurück. Ist das so?

Maria: Ja, das ist richtig. Es kommt darauf an, in welchem Stadium man den Krebs erwischt. Ein Beispiel: Man findet einen Krebs, dann wird meistens der ganze Körper untersucht und nach Metastasen geschaut. Und man findet aber keine Metastasen.

Jetzt muss man bedenken, dass durch die Bildgebung, ob es eine Magnetresonanz, ein CT oder auch eine Radiographie ist, die Auflösung natürlich sehr gut ist heutzutage, aber die sieht natürlich nicht alles. Das heißt, man sieht nur Metastasen, die eine gewisse Größe haben. Aber einzelne Zellen, die schon weggewandert sind und sich irgendwo angesiedelt haben, die sieht man nicht.

Das heißt, man schneidet den Tumor weg und deswegen muss man immer wieder zur Kontrolle gehen, um sicherzustellen, dass nichts nachwächst. Und oft wird ja nach der chirurgischen Resektion auch eine Chemotherapie zum Beispiel gegeben, damit man einfach auch eventuelle sozusagen Irrläufer auch noch erwischt. Und man sagt dann, dass wenn nach der OP, nach drei, fünf Jahren – kommt auf die Tumorart darauf an – nichts mehr nachgekommen ist, dass man sozusagen geheilt ist.

Oft ist das leider halt nicht der Fall und es kommt dann noch etwas nach. Und was danach kommt, ist meistens dann schon ein bisschen sozusagen nicht Primärtumor, sondern sind diese Metastasen in andere Organe. Und die müssen dann natürlich medikamentös systemisch therapiert werden. Und da ist dann meistens, das muss man dazu sagen, nicht mit einem langfristigen Erfolg.

Mit der Immuntherapie sind wir auf einem guten Weg, aus Krebs sozusagen eine chronische Erkrankung zu machen. Was heißt das? Das heißt, so wie wenn man einen Herzinfarkt gehabt hat, dann muss man auch das ganze Leben lang Medikamente nehmen. Oder bei Bluthochdruck oder so.

Und bei Krebs… So die Wunschvorstellung wäre natürlich, dass man es heilen kann. Aber das wird schwierig sein. Aber ein großes Ziel wäre, dass man daraus eine sogenannte chronische Erkrankung macht, dass man halt einfach immer wieder Medikamente nehmen muss, aber damit halt auch lange leben kann.

Andreas: Aber ich bin… Ich frag mich, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich es richtig verstanden habe: Es gibt schon Fälle, wo man sagt: Okay, nach fünf Jahren, es zeigen sich keine Krebszellen mehr, man gilt jetzt als geheilt. Also, man muss dann nicht mehr…

Maria: Man geht… Man geht am Anfang in kürzeren Intervallen, dann geht man, wenn nach fünf Jahren zum Beispiel nichts ist, dann wird man vielleicht nach zehn Jahren wieder mal schauen. Aber man gilt dann als geheilt. Da gibt es natürlich für jede Krebsart ganz bestimmte Zeiten, die das natürlich auch der Onkologe kennt und erfahrungsgemäß weiß man ja sozusagen, wann man Entwarnung geben kann.

Andreas: Gibt es so etwas wie einen inneren Kampf gegen den Krebs, im Sinne von einem mentalen Kampf? Also, macht es einen Unterschied, ob man sehr positiv damit umgeht und versucht quasi daran zu glauben, dass man das schafft und dass man gerne weiterleben möchte? Wirkt sich das anders aus, als wenn man quasi total depressiv wird und schon halb aufgegeben hat?

Maria: Ja, das wirkt sich sicherlich aus. Und zwar… Auch Sie haben vorher hervorragend gefragt, wie es mit dem Stress ist. Und wenn man depressiv ist, hat das genau dieselben Effekte auf das Immunsystem. In dem Moment, wo man deprimiert ist, nicht gut drauf ist, da ist man auch… Das Immunsystem ist dann auch eher geschwächt. Und da kann natürlich dann der Krankheitsverlauf viel schneller vor sich hingehen.

Also, sagen wir so, man kann es nicht sagen, dass es eine hundertprozentige Regel ist. Aber in der Mehrheit der Fälle ist eine positive Einstellung und sozusagen ein positives Kämpfen gegen den Krebs, auch zum Beispiel durch sportliche Aktivität, da hilft es schon, den Krebs zu bekämpfen. Weil wenn wir viel Sport machen, stärken wir dadurch auch unser Immunsystem.

Und es ist sogar wissenschaftlich bewiesen, dass zum Beispiel im Falle von sportlichen Aktivitäten sogenannte Botenstoffe, Zytokine, ausgeschüttet werden, die auch dazu beitragen, dass das Immunsystem gestärkt wird und besser den Krebs bekämpfen kann.

Andreas: Wie ist das mit der Vorsorge? Ab wann macht das Sinn und was macht man da?

Maria: Ganz, ganz wichtig: Unbedingt Vorsorge! Es gibt Krebsarten, die man wirklich vermeiden könnte, wenn man regelmäßig zur Vorsorge geht. Ich denke hier an Dickdarmkrebs.

Also, wenn man ab einem gewissen Alter, 40, 45 – kommt aber darauf an, wenn man familiär belastet ist, weil es gibt zum Beispiel auch hier gewisse genetische Veränderungen, die man auch vererben kann und die dann dazu führen, dass man eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, Dickdarmkrebs zu bekommen, dann muss man natürlich noch früher zur Vorsorge gehen. Aber sagen wir so, wenn man nicht erblich belastet ist, dann sollte man ab einem gewissen Alter, zum Beispiel 40, 45, alle fünf Jahre zu einer Vorsorgeuntersuchung gehen.

Das heißt, man geht das erste Mal, der Arzt wird einem sagen, wann man das nächste Mal wiederkommen soll, weil es kommt drauf an, was man findet. Weil da kann man wirklich durch die Koloskopie, also da geht eine Sonde in den Dickdarm hinein, da sieht man wirklich die kleinen Wucherungen, die kann man dann gleich wegschneiden. Und wenn man das regelmäßig macht, ist es wirklich eine Krebsart, die man vermeiden könnte.

Und natürlich Brustkrebs-Screening und viele andere. Leider gibt es aber auch Krebsarten, wo man leider noch nicht viel vorsorgemäßig machen kann, wie zum Beispiel bei Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Andreas: Aber gibt es eine Regel, ab welchem Alter müssen sich meine Zuhörerinnen und Zuhörer jetzt mal vielleicht beim Arzt fragen: Gibt es wegen einer Vorsorgeuntersuchung, die ich machen sollte, irgendwelche Alter, an die man da denken muss?

Maria: Also, sagen wir so, eine allgemeine Untersuchung, Vorsorge ist natürlich, dass man sich das Blut untersuchen lässt. Das macht man, sagen wir, im Normalfall so alle paar Jahre, wenn man noch jung ist. Aber dass man zum Beispiel… Da würde man dann erkennen, ob die Blutzellen schon verändert sind. Denn es sind die Leukämien, die im jungen Alter kommen könnten.

Und danach, denke ich, so ab 40, 45 macht so eine Vorsorgeuntersuchung, was zum Beispiel Darmkrebs-Screening anbelangt, was Brustkrebs anbelangt, Sinn. Also, die Damen, wenn sie zum Frauenarzt gehen, das ist natürlich auch alle zwei Jahre und auch wegen Gebärmutterhalskrebs und so. Das sind so Vorsorge-Screenings, die man einfach regelmäßig machen sollte, und zwar schon ab dem jungen Alter. Aber sonst, allgemein, sagt man wahrscheinlich so ab 40, 45.

Andreas: Letzte Frage: Krebs ist eine der häufigsten Todesursachen in westlichen Ländern. Sehr, sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie du arbeiten seit Jahrzehnten daran. Warum ist es so schwer, dieses Ungetüm Krebs zu besiegen?

Maria: Ja, das habe ich versucht vorher auch zu erklären. Weil, wie gesagt, das große Problem ist diese Heterogenität des Tumors, die Unterschiedlichkeit. Genau, diese Unterschiedlichkeit. Weil während diese ganz verschiedenen Farben haben und jetzt ist es so, dass wir innerhalb des Tumors, den ein Patient hat, schon eine riesige Unterschiedlichkeit haben.

Deswegen muss man die Therapien personalisieren und präzisieren. Deswegen redet man ja auch von der Präzisionsmedizin, weil das Gebot fast auf jeden Patienten… Es gehört eine gewisse Therapie maßgeschneidert. Und jetzt sind wir auf einem guten Weg dazu, aber Sie können sich, die Zuhörer können sich ja vorstellen, wie komplex das dann ist, wenn man 100 Patienten mit einem Brustkrebs behandeln muss und jede dieser Krebsarten ist unterschiedlich.

Jetzt haben wir natürlich ein paar von solchen Merkmalen, die uns sagen: Okay, da könnte man das Medikament A geben, da B und C. Aber dann gibt es so eine ganze Palette, wo man nicht weiß, was man machen soll. Und wie gesagt, die Immuntherapie ist eine Möglichkeit, nur wird das nicht in allen Patienten funktionieren.

Und es geht zurzeit ganz, ganz viel Forschung in die Richtung: Wie kann man solche unsichtbaren Tumore dem Immunsystem wieder sichtbar machen? Und da geht es darum, dass wir Medikamente, die wir schon haben – und wir haben ja schon sehr viele Krebsmedikamente – dass man lernt, diese gut einzusetzen und ganz rational. Also, welches zuerst, welches danach? Dann macht man den Tumor sichtbar für das Immunsystem, zum Beispiel auch durch die Chemotherapie.

Chemotherapie tötet Zellen, das heißt, die tote Zelle, die zeigt all ihren Inhalt dem Immunsystem und kann somit eine Aktivierung dieser lahmgelegten Immunzellen bewirken. Aber wir sind eben noch nicht für alle Tumorarten dort angelangt, dass wir wissen, wie und in welcher Reihenfolge und wie kombiniert wir das gut machen können.

Aber, wie vorhin gesagt, die Hoffnung ist, dass Krebs mal eine chronische Erkrankung wird, so wie Bluthochdruck, dass man nicht mehr daran sterben muss, unmittelbar. Wie weit sind wir davon entfernt?

Also, ich glaube, bei einigen Tumorarten sind wir schon auf einem guten Weg. Weil vor allem zum Beispiel Tumorarten, wo die Immuntherapie auch gut wirkt, also da hat es schon signifikante Verlängerungen sozusagen der Lebenserwartung nach einer Krebsdiagnose gegeben. Also, ich rede jetzt aber von einer Krebsdiagnose, wenn man sozusagen im sogenannten Stadium 4 ist, wo es schon metastasiert ist. Da sind ja meistens die Prognosen am schlechtesten. Und da sind wir bei einigen Tumorarten schon auf einem sehr guten Weg.

Leider gibt es aber andere Tumorarten, und so ein Beispiel ist eben das Pankreaskarzinom, aber auch die Gehirntumore sind schwierig, dort vor allem auch, weil man natürlich auch den Tumor nicht so leicht entfernen kann, weil man natürlich dann mit schwerwiegenden Nebeneffekten rechnen muss. Und es gibt auch noch ein paar andere, wo es halt… Wo wir halt noch nicht so weit sind.

Und vor allem in diesen Tumorarten ist halt auch viel Forschung unterwegs, um neue Therapiestrategien noch dort zu finden.

Andreas: Danke für deine Zeit, Maria.

Maria: Danke vielmals.

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Andreas: Was nehme ich mir mit? Ich fand es extrem spannend und Mari ist eine tolle Lehrerin. Das finde ich immer faszinierend, wenn jemand so tief in der Forschung drin ist, aber trotzdem das Ganze sehr einfach erklären kann.

Unser Körper besteht aus Billionen Zellen, die sich ständig teilen und erneuern. Und eigentlich sind die altruistisch, schauen also aufeinander, helfen sich. Wenn es aber zu Krebs kommt, dann sind manche Zellen egoistisch, das heißt, sie kümmern sich nicht um das Wohl des Körpers, sondern um ihr eigenes. Sie manipulieren das Immunsystem, werden immer mehr und quasi ein eigenes Organ. Und das nennt man dann Tumor.

Den Tumor kann man noch wegoperieren. Wenn die Krebszellen in den Rest des Körpers auswandern, das nennt man dann Metastasen, dann wird es kritisch. Und dafür gibt es dann zum Beispiel eine Chemotherapie.

Anfälliger für Krebs sind Menschen, die rauchen, sich schlecht ernähren, wenig Sport machen, viel Stress haben, aber generell auch Menschen, die älter werden. Dass es heute viel mehr Krebserkrankungen gibt, liegt auch daran, dass der Mensch immer älter wird.

Sehr spannend fand ich auch, dass es in der Therapie, etwa in der Immuntherapie, zuletzt große Fortschritte gab und dass die Wissenschaft daran arbeitet, aus Krebs eine chronische Erkrankung zu machen, dass man daran eben nicht stirbt, sondern wie bei Bluthochdruck gewisse Medikamente nimmt und dann noch lange weiterleben kann. Aber bei manchen Krebsarten ist das einfacher als bei anderen, weil Krebs sehr heterogen ist, wie das Maria genannt hat, also extrem unterschiedlich von Krebsart zu Krebsart, von Patient zu Patient.

Das war die heutige Folge. Am Ende noch ein Buchtipp: Ich habe vor kurzem das Buch “Americanah” von Chimamanda Ngozi Adichie fertig gelesen. Das Buch ist großartig und es beschreibt Leben und Träume zwischen Nigeria und den USA. Es ist so einfühlsam und voller Herz, das war wunderbar zu lesen.

Das war es für heute. Wenn du den Podcast cool findest, dann unterstütze ihn bitte auf erklärmir.at/support. Danke und bis nächstes Mal!

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